Prof. Dr. Bernhard Allmann von der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement sowie Physiotherapeut Dirk Mund von der Sportsmed Praxis Saarbrücken kennen sich mit dem Thema bestens aus. Die Experten stehen haus&wellness in einem Doppelinterview Rede und Antwort.
haus und wellness*: Zu Beginn stellt sich uns die Frage, ob Wasser eine physische Wirkung auf den Körper besitzt? Kann Wasser bei körperlichen Erkrankungen in irgendeiner Weise helfen?
Bernhard Allmann: Generell lässt sich sagen, dass vor allem Temperaturreize im menschlichen Körper eine Reihe von Reaktionen hervorrufen. So wirkt sich kaltes, lauwarmes oder warmes Wasser unterschiedlich auf die Nervenleitgeschwindigkeit, das Gefäßsystem, die Verdauuung oder das Herz-Kreislauf-System aus. Unter Einfluss von warmem Wasser steigt beispielsweise die Nervenleitgeschwindigkeit an.
Dirk Mund: Somit wirken vor allem lauwarme, aber auch länger dauernde mild-warme Bäder in erster Linie entkrampfend. Sie schaffen beispielsweise günstige Voraussetzungen für eine nachfolgende Massage der verspannten Muskulatur. Denn milde Wärmemaßnahmen wirken auf die sensiblen Nerven und erreichen bei muskulären Schmerzen oder bei chronisch entzündlichen Veränderungen eine angenehme Schmerzlinderung. Zudem kann Wärme auch bei Magen-Darm-Beschwerden förderlich sein. So wirkt sie bei krankhaft gesteigerter Darmbewegung beruhigend.
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haus und wellness*: Stichwort Beruhigung: Ist Wasser denn auch wirksam, was den Geist betrifft?
Allmann: Ja, warmes Wasser kann durch die erwähnte Wirkung auf das Nervenleitsystem dazu genutzt werden, die geistige Entspannung zu fördern. Warme Bäder setzen die Erregbarkeit herab und werden deshalb bei Nervosität und leichten Erregungszuständen wie Stress angewendet.
Mund: Wer die entspannende Wirkung weiter unterstützen möchte, kann ätherische Öle einsetzen. Hierzu gibt man sechs bis zehn Tropfen des Öls ins warme Badewasser, als Zusätze bieten sich Milch, Honig oder Sahne an (Vorsicht, nicht bei Portable Spas). Harmonisierende Wirkung verströmen beispielsweise Kamille und Lavendel. Anregend wirken Rosmarin, Thymian und Eisenkraut. Als Badedauer kann man circa 20 Minuten empfehlen.
haus und wellness*: Ab wann wird Wasser denn eigentlich als warm bezeichnet und was ist die ideale Wassertemperatur?
Allmann: Der Temperaturbereich, in dem man die Temperatur nicht als Reiz empfindet, also nicht als warm oder kalt, liegt bei 34–35 °Celsius, das ist die sogenannte Behaglichkeitstemperatur. Die Reizstärke einer Temperatur ist dabei stets abhängig vom Abstand zu diesem Indifferenzbereich: Je weiter entfernt, desto kräftiger (wärmend bzw. kühlend) ist ihre Reizwirkung. Gemeinhin wird eine Wassertemperatur von 36–37 °Celsius als warm und ein Wert von 38–39 °Celsius als sehr warm empfunden.
haus&wellness: Welche Wassertemperatur ist denn besonders wirksam bei der Behandlung von Beschwerden?
Allmann: Bei der Wahl der Wassertemperatur kommt es vor allem darauf an, was man im individuellen Fall erreichen will. Beispielsweise kann sich lauwarmes Wasser (26–30 °C) bei Depressionen, Schlaflosigkeit und nervösen Erschöpfungszuständen positiv auswirken. Warmes bis sehr warmes Wasser (bis 42 °C) ist empfehlenswert zur Herz-Kreislauf-Anregung und bei muskulären Verspannungen, Gelenkproblemen oder einer schlechten Durchblutung. Kaltes Wasser (16–25 °C) eignet sich hingegen zur Belebung, Erfrischung, verbessert die Spannkraft der Haut und kann genutzt werden, um den Kreislauf zu trainieren.
haus und wellness*: Kann eine falsche Anwendung dabei schädlich sein?
Mund: Die Wahl des richtigen Temperaturbereichs ist aus medizinischen Gründen äußerst wichtig. Beispielsweise sollte für ein (Teil-)Bad mit warmem oder sehr warmem Wasser keine venöse Erkrankung oder Kreislaufschwäche vorliegen. Bei Diabetikern wiederum ist kaltes Wasser nicht empfehlenswert, während bei erhöhtem Blutdruck oder einer Arterienverkalkung von lauwarmen Bädern abzuraten ist. Je nach Wassertemperatur sollte auch die Badedauer gestaltet werden: Bei warmem Wasser ist ein Dauerbad von 15–20 Minuten möglich, bei sehr warmem Wasser sind wenige Minuten empfehlenswert, bei heißem oder kaltem Wasser nur Sekunden. Auch die Frage, wie gut der restliche Körper, zum Beispiel gegen Auskühlung, geschützt ist, kann sich auf die empfehlenswerte Dauer auswirken.
Allmann: Wärmemaßnahmen mit hohen Wärmegraden sind vor allem bei akuten, entzündlichen oder schmerzhaften Veränderungen grundsätzlich zu vermeiden. Denn sonst kann sich die jeweilige Symptomatik weiter verschlimmern. Beispielsweise wirken Whirlpoolbäder kontraindiziert bei Venenentzündungen, Neigung zu Dermitis oder Pilzinfektion sowie Morbus Sudeck Stadium I, einer entzündlichen Bindegewebserkrankung.
haus und wellness*: Doch generell wird bewegtem Wasser wie bei einem Whirlbad ein großer Entspannungswert beigemessen. Woran liegt das?
Allmann: Wird dem Wasser Sauerstoff zugeführt, löst der milde taktile Reiz der Gasbläschen auf der Haut ein angenehmes Prickeln aus und bewirkt eine nervliche Entspannung. Solche Sprudelbäder eignen sich beispielsweise zur allgemeinen nervlichen Entspannung, bei nervösen Erregungszuständen, Schlafstörungen und niedrigem Blutdruck. Empfohlene Badedauer für Luftsprudelbäder: 20 Minuten, wobei anschließend ausreichendes Nachruhen wichtig ist.
Mund: Whirlpool-Bäder sind mit den Wirkungen eines Sauerstoffbades zu vergleichen. Dabei kann der Reiz jedoch über Düsen gesteuert und die Wirkweise lokal verändert werden. Die unterschiedlichen Whirlpools sind heute so wirkungsvoll, dass sie sogar zur Entmüdungsmassage von Spitzensportlern oder zum Ausgleich von hohen Stressbelastungen eingesetzt werden können.
So whirlt Deutschland: Das sind die beliebtesten Temperaturen in Whirlpools: 27 Prozent aller Befragten baden am liebsten bei 38 Grad.